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Computerwerkstatt Presse

Comic-Helden Marke Eigenbau 5/8/04

Kulturwerkstatt – Mit der Mädchenakademie startet das »Haus der Jugend« heuer eine Computer-Fortbildungsreihe

HEIKE KRÜGER

REUTLINGEN. Der kleine Hai ruckelt und zuckelt mit ziemlich eckigen Bewegungen durchs Wasser, hält auf einen Schwimmer zu und … Schluss. Der kurze Trickfilm bricht ab und erspart seinen Betrachtern auf diese Weise das mutmaßlich blutige Ende eines entspannten Badeurlaubs. Wobei an diesem Dienstagmorgen offen bleibt, ob die kleine Computer-Animation nur unvollendet ist, oder ob ihre Macher ganz bewusst die Grenzen des guten Geschmacks wahren wollten.

MädchenakademieVerpixelt und zugenäht: 90 Teilnehmerinnen der Mädchenakademie machen Computerbildern Beine. FOTO: NIETHAMMER

Gar nicht übel

Unstrittig ist hingegen, dass die Sequenz noch überarbeitet werden muss. »Etwas flüssiger«, findet »Lehrerin« Ann-Kathrin, dürfte der Raubfisch schon durchs Wasser gleiten. Jedoch: Für einen ersten Versuch ist das Mini-Filmchen gar nicht übel. Zumal die Mädchenakademie im Haus der Jugend ja erst am vergangenen Montag ihre Arbeit aufgenommen hat, die Teilnehmerinnen gewissermaßen ins kalte Wasser geworfen wurden.

Zwischen acht und sechzehn Jahre alt, wollen sie die Sommerferien dafür nutzen, sich kreativ mit dem Medium Computer auseinander zu setzen. Denn dass man mit den grauen Kisten weit mehr anfangen kann, als Texte zu schreiben, das hat sich sogar unter den Jüngsten rumgesprochen. Über das Wie herrscht jedoch noch Unklarheit. Vielmehr: Sie herrschte – weil bereits zwei Unterrichtseinheiten genügten, ihnen die Welt der Pixel wenigstens ansatzweise zu erschließen.

Einfache, bedienungsfreundliche Programme, so Mädchenakademie-Erfinderin Petra Lever, machen’s möglich. Etwa »D-Paint« oder »Kai’s Power-Go«, mit deren Hilfe sich ohne großartiges Fachwissen kleine Kunstwerke auf den Bildschirm zaubern lassen. Ohne viel Hirnschmalz, mit Mager-Werkzeug.

Um dieses an die Mädels zu bringen, beschreitet die Reutlinger Kulturwerkstatt übrigens neue Wege. Nicht Erwachsene unterrichten die Gruppen, sondern Zwölf- bis Sechzehnjährige. Die haben sich ein Jahr lang intensiv mit den Bereichen Grafik und Bildbearbeitung, Trickfilm und Musik sowie Textverarbeitung und Internet auseinander gesetzt, haben sich Unterrichtskonzepte überlegt und diese im Rahmen von Workshops auf ihre Tauglichkeit hin überprüft. Das Ergebnis: Die Trockenübungen haben sich gelohnt, müssen mitunter aber an die Unterrichtswirklichkeit angepasst werden.

Breites Altersspektrum

Und das sei gar nicht so einfach, wie auf einer Pressekonferenz zu hören, bei der die Gruppenleiterinnen über ihre ersten »Lehrerfahrungen« sprechen. Etwa die sechzehnjährige Lisa, die das breite Altersspektrum der Teilnehmerinnen als schwierig empfindet. »Sie alle unter einen Hut zu kriegen«, sagt sie, das sei »tricky«. Gar nicht zu reden vom Lerntempo des Einzelnen. Oder von der individuell unterschiedlichen Konzentrationsfähigkeit der Teilnehmerinnen.

Ohne Flexibilität und Manöverkritik geht’s deshalb nicht. Der guten Sache tut’s jedoch keinen Abbruch. Im Gegenteil. Wie Meinungsstichproben bei den über 90 angemeldeten Schülerinnen belegen, finden sie das Ferienprogramm im Haus der Jugend klasse. »Voll cool« sei’s. Maximal motivierend. Und vor allem sehr praxisorientiert. Kurz: Hier scheint das Lernen richtig Spaß zu machen.

Und das Unterrichten auch. Zumal die »Lehrerinnen« das sichere Gefühl haben, an ihrem Job zu wachsen. »In der Schule«, gesteht Lisa, »habe ich vor jedem Referat Lampenfieber.« Doch hier sei der Bammel plötzlich wie weggeblasen.

Eine Erfahrung, die Mädchenakademie-Gründerin Petra Lever aus der Beobachterinnenperspektive bestätigt. Selbstbewusst, so Lever, seien die Mädchen ans Werk gegangen, gerade so als wollten sie sagen: »Mir könnet was ond könnet des au zeiga«. Zur Freude der Teilnehmerinnen, die mit sichtlicher Begeisterung bei der Sache sind und zügig auf Klein-Projekte hinarbeiten – vom musikalisch unterlegten Trickfilm bis zur Foto-Story.

Ausstellung geplant

Die Ergebnisse der Mädchenakademie sollen nach den Sommerferien übrigens einer größeren Öffentlichkeit vorgestellt werden. Dann wird’s nämlich eine Ausstellung im Haus der Jugend, Museumstraße 7, geben, wo auch weitere Informationen rund ums Reutlinger Pilot-Projekt erhältlich sind. Ob der Computer-animierte Hai bis dahin richtig schwimmen kann? – Hingehen und nachschauen! (GEA)

Originalartikel erschienen am 05.08.2004 im Reutlinger Generalanzeiger.